Auf meinem PC lief lange Zeit Windows, und zwar bis zu dem Tag, an dem mir klar wurde, dass ich mich entweder weiter in Diablo 2 verbeißen oder für mein Vordiplom lernen konnte, aber nicht beides. Kurzerhand schmiss ich Windows samt Diablo von der Festplatte und installierte meine erste Linux-Distribution (es war Mandrake Linux). Ich trauerte Windows eine Weile nach, aber irgendwann hatte ich mich umgewöhnt und erkannte, dass Linux nicht nur frei und quelloffen, sondern vor allem sicherer ist und dass es alle Aufgaben, die Windows erfüllt, genausogut erledigt, wenn nicht besser.
Das heißt: nicht alle Aufgaben. Zwei Ausnahmen gibt es, in denen Linux Windows unterlegen ist, und in beiden Fällen sind die Gründe nicht technischer Natur. Stattdessen geht es wie immer um Geld, Politik und Beharrungskräfte.Die erste Ausnahme betrifft Spiele. PC-Games sind traditionell eine reine Windows-Angelegenheit, und dass es praktisch keine Linux-Spiele gab, war ja gerade der Anstoß für meinen Umstieg. Spätestens seit Steam auch für Linux verfügbar ist, verliert Windows in diesem Bereich übrigens an Boden. Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Ich hätte mich wahnsinnig geärgert, wenn ich z.B. Shadowrun Returns nicht hätte spielen können, doch auf der anderen Seite laufe ich nun Gefahr, dass Spiele mich statt vom Lernen vom Bücherschreiben ablenken.
Auf die zweite Ausnahme stieß ich vergangene Woche. Sie lautet: Unter Linux kann man nicht legal Filme anschauen.
Vor ziemlich genau einem Jahr unterstützte ich die Kickstarter-Kampagne für den Veronica-Mars-Film. Die TV-Serie um eine junge Privatdetektivin an einer kalifornischen High-School hat viele Fans. Nach der Absetzung der Serie war immer wieder ein Filmprojekt im Gespräch (es gibt sogar einen Teaser-Trailer für eine nie gedrehte 4. Staffel mit Veronica beim FBI), aber Time Warner fand das alles nicht lukrativ genug und sagte ein ums andere Mal Nein. So landete das Projekt schließlich auf Kickstarter, wo es von der Crowd, wie man so schön sagt, überaus erfolgreich finanziert wurde. Oder, in anderen Worten: Ich bin einer von mehr als 90.000 Fanboys.
An dem Tag, an der Film in die Kinos kommt, sollte ich eine Kopie des Films herunterladen können. Am 14. März 2014 war es soweit: Filmstart für „Veronica Mars: The Movie“, und der erhoffte Download-Start für mich. Nachdem das Problem mit meiner nicht mehr erreichbaren Lavabit-Adresse aus dem Weg geräumt war, ich meinen tor-Proxy ausgeschaltet hatte, weil die Webseite des Download-Dienstes sonst kommentarlos den Dienst quittierte, und nachdem ich außerdem Accounts für die Services Flixster und Ultraviolet angelegt hatte – insgesamt also nach einer Woche -, war ich dann endlich in Besitz des Films. Bequem ist anders, dachte, ich mir, aber wenigstens kannst du jetzt auf den Film zugreifen. Im Nachhinein denke ich: Guter Witz, Tobi.
Ein kurzer Exkurs zu Ultraviolet: Das ist ein DRM-Ökosystem, das von diversen Filmstudios, Internetprovidern und Kabelsendern ins Unleben gerufen wurde. Vorgeblich soll es das Streamen und Herunterladen von legal erworbenen Videoinhalten leichter und Filmpiraterie schwerer machen. In der Realität zwingt Ultraviolet diejenigen, die für einen Film Geld bezahlt haben, zu abenteuerlichen Verrenkungen, während es die Downloader überhaupt nicht betrifft. Wer das nicht glaubt, der schaue nach, ab wann der Veronica-Mars-Film auf der Pirate Bay verfügbar war (Spoiler: es war der 14.3.).
Aber zurück zu mir und meiner naiven Vorstellung, dass ich eine gekaufte und bezahlte Filmdatei auch würde anschauen können. Im Rahmen von Ultraviolet bedeutet die Formulierung „downloadbar“ zum Beispiel keineswegs das, was man allgemein darunter versteht, nämlich einen HTTP-Download aus dem Webbrowser heraus. Stattdessen wird einem der Download nur per spezieller App erlaubt. Diese gibt es für Windows und Mac, aber nicht für Linux.
Na gut, dachte ich, HD ist HD, und wenigstens kann ich den Film im Browser abspielen. Was ich daraufhin zu sehen bekam, war dies:
Digital Rights Management restrictions prevent Flixster from playing HD content on the following system setups:
Dual monitor setups (…)
External displays connected with VGA cables (…)
Non-HDCP external monitors
Im Klartext: Vor dem Abspielen wird überprüft, ob ein zweiter Bildschirm oder Fernseher an den Computer angeschlossen ist. Ist das der Fall, startet der Film einfach nicht. Nichts mit „ich hab’s bezahlt, ich darf’s benutzen“ – die Rechteinhaber verschränken so lange die Armen vor der Brust, bis der Käufer des Films in seiner eigenen Wohnung, mit einer Handvoll feixender Freunde neben sich, das Fernseher-Kabel von seinem eigenen Computer abgezogen hat. Dann und erst dann bequemen sie sich dazu, den HD-Daumen zu heben – betont missmutig, versteht sich, was erdreistet sich der Kunde auch, das gekaufte Gut nutzen zu wollen.
Offiziell ist noch nicht einmal das Streamen auf einen Linux-Rechner erlaubt. Wir haben es trotzdem versucht, mit drei Rechnern und vier Browsern. Bei einer Kombination hatten wir Glück. Am Ende konnten wir den Film also tatsächlich „anschauen“, in ensetzlich pixeliger Auflösung und mit quäkigem Ton aus den Lautsprechern meines Laptops. Danke auch, Ultraviolet. Wenn ich das nächste Mal einen Film „zu meinen Bedingungen“ sehen will, weiß ich jetzt, an wen ich mich garantiert nicht zu wenden brauche.
Auf die Linux-Probleme angesprochen, antwortete der Support für den Film, dass ich ihn stattdessen im iTunes Store oder bei Amazon als Download kaufen könnte und dass ich den Kaufpreis erstattet bekäme. Aber auch dort zwingt man mich zu DRM à la Ultraviolet: Wie Flixster lässt Amazon einen Download nur per Windows/Mac-App zu, und iTunes kann ich unter Linux nicht einmal starten. Das bedeutet: Es gibt für mich keine Möglichkeit, den Film legal und in akzeptabler Qualität online anzuschauen oder herunterzuladen. (Der Fairness halber will ich aber nicht verschweigen, dass ich dafür von den Filmmachern zehn Dollar zurückerstattet bekomme.)
Besonders lustig ist übrigens, dass der Film nur deshalb über Ultraviolet ausgeliefert wird, weil Time Warner darauf bestanden hat. Ganz genau: Dasselbe Studio, das den Veronica-Mars-Film erst nicht finanzieren wollte, zwingt jetzt sämtliche Kickstarter-Unterstützer unter die DRM-Knute. Darunter leiden nicht nur Linux-Freunde wie ich, auch alle anderen müssen sich absurd verbiegen, nur um einen Indie-Film anschauen zu dürfen, den sie selbst finanzieren mussten, weil Hollywood sich dafür zu schade war. Es ist, als würden die Studiobosse absichtlich die Erfahrungen ignorieren, die Apple gemacht hat, als es die DRM-Beschränkungen von Musikdateien aufhob, und als hätten sie darüber hinaus noch nie diesen Comic hier gesehen.
So weit zu meinen Erfahrungen mit DRM. Ich bin fürs Erste geheilt und werde lange warten, bis ich das nächste Mal versuche, die geschützte unnutzbare Version eines Films zu kaufen. Dass ich nicht völlig den Glauben an legale Downloads verloren habe, verdanke ich übrigens The Gamers – Hands of Fate. Diesen Film habe ich ebenfalls als Download gekauft, aber ohne DRM und ohne jeden Ärger; nach wenigen Minuten hatte ich die Datei auf der Festplatte. Es gab nicht den geringsten Grund, mich aufzuregen und meinen Ärger auf die Macher des Film zu projizieren, obwohl diese für eventuelle DRM-Probleme doch gar nichts gekonnt hätten…
PS: Den Veronica-Mars-Film fand ich solide, aber nicht fantastisch; zu viel Fan-Futter und zu wenig Neues für meinen Geschmack. Aber ich bereue nicht, dass ich die Kampagne unterstützt habe.
(Bildquelle: Kickstarter.com)
Kenne das…
Hab mir die BluRay zu Jurassic World geholt und meine PS3 verliehen weil ich mir den ja über UltraViolet runterladen kann.HAHA.
Also die zwei Accounts erstellt und los. Auf meinem PC-Monitor (DVI) gehts ja auch in HD, wenn ich den PC dann aber über HDMI (unterstützd ja bekanntlich ausdrücklich HDCP) an meinen Fernseher anschließe: Nope, das ist wohl keine geschütze Wiedergabe.
Naja zumindest ist der illegale Download in diesem Fall legal da ich ja das Original besitze…