Im Zuge der Urheberrechtsdebatte habe ich mehr als einmal den Vorwurf gelesen, die Schriftsteller hätten Angst vor dem Internet, sie wüssten mit den neuen Möglichkeiten nichts anzufangen. Anstatt Experimente zu wagen würden sie nur versuchen, Althergebrachtes zu zementieren. Um genau zu sein, habe ich neulich selbst mit diesem Argument gespielt.
Tatsächlich trifft es jedoch auch auf mich zu. Beim Experimentieren mit neuen Veröffentlichungsformen im Netz habe ich mich bislang vornehm zurückgehalten. Weil derjenige im Glashaus nicht mit Steinen werfen soll, starte ich heute mein eigenes Internet-Experiment: Corporation Square
So lautet der Titel der Kurzgeschichte, die ich von heute an schreibe und Zeile für Zeile auf Twitter veröffentliche. Es ist ein Experiment, bei dem jeder mitlesen kann, während der Text entsteht. Wenn alles klappt, wie ich es mir vorstelle, wird die Geschichte, während sie fortschreitet, im Netz kommentiert und diskutiert werden, und die Diskussion wird wiederum Einfluss auf mich und auf meine Geschichte haben. Ich werde so nah am Leser dran sein wie noch nie.
(Tatsächlich ist mir diese Aspekt ein kleines bisschen unheimlich; es ist das erste Mal, dass ich einen Text öffentlich mache, bevor ich ihn abgeschlossen habe. Aber irgendwas ist ja immer.)
Das mit dem Einfluss auf den Text meine ich ernst. Ich habe „Corporation Square“ gerade erst begonnen (um genau zu sein, hatte ich die Idee letzten Freitag), und bislang weiß ich noch nicht viel mehr darüber, als die ersten drei Zeilen verraten. Anregungen und Kritik werden bei mir also auf fruchtbaren Boden fallen, allein schon deshalb, weil ich täglich mindestens eine neue Idee brauche (siehe unten). Sicher ist nur, dass es sich bei „Corporation Square“ um Science Fiction handelt und dass ich den Text in einer gedichtartigen, zeilenbetonten Form schreibe, die ich mir bei Neil Gaiman abgeguckt habe. Dadurch wird es mir leichter, dem Medium Twitter gerecht zu werden (denn 140 Zeichen sind gar nicht so viel, wie ich anfangs dachte …).
Ich habe mir vorgenommen, „Corporation Square“ täglich weiterzuschreiben. Das heißt, dass es jeden Montag bis Freitag eine oder mehrere neue Zeilen geben wird. Jeder Tweet, der zur Geschichte gehört, wird den Hashtag #CorpSq und eine laufende Nummer erhalten. Sobald ich halbwegs durch die Twitter-API durchgestiegen bin, werde ich außerdem ein Stück Code schreiben, das alle zur Geschichte gehörenden Tweets sammelt und übersichtlich anordnet, damit man „the story so far“ jederzeit nachlesen kann. Aber eins nach dem anderen.
Update: Um der Geschichte folgen zu können, ist die derzeit beste Möglichkeit diese Twitter-Suche. Der Link zeigt den aktuellen Stand von „Corporation Square“ als Liste aller zugehörigen Tweets. Achtung: Von unten nach oben lesen!
Update 2: „Corporation Square“ steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Hübsches Wortungetüm, nicht? Die Kurzform lautet CC-BY-NC-SA. Das bedeutet, dass jeder die Geschichte vervielfältigen, verbreiten, öffentlich zugänglich machen, bearbeiten und als Grundlage eigener Werke verwenden darf, so lange mein Name genannt wird und das neue Werk unter einer ähnlichen Lizenz verbreitet wird; die kommerzielle Nutzung ist hiervon ausdrücklich ausgenommen.
6 Gedanken zu „„Corporation Square“, eine experimentelle Kurzgeschichte (Update)“
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