Ich habe im Moment nur wenig Zeit, um zu schreiben oder Blog-Updates zu verfassen. Darum freut es mich umso mehr, dass es mit Corporation Square in regelmäßigem Rhythmus weiter geht (ich habe vorhin die neuesten Zeilen getwittert). Der besseren Übersicht halber präsentiere ich an dieser Stelle noch einmal die gesamte Geschichte auf dem heutigen Stand. Sie am Stück zu lesen ist auch für mich einfacher, als mich durch die mittlerweile 34 Tweets zu klicken.
Corporation Square (Stand 4.7.)
Ich stehe auf dem Corporation Square, den Kopf im Nacken,
und kann weit über mir ein Stück vom Himmel sehen.
Ein kleiner blauer Fleck zwischen Fassadenglas und dem Stahl der Streben,
auf denen die oberen Ebenen der Stadt ruhen,
kaum auszumachen vor dem Flackern der Werbeneons. Ich hatte
nicht geglaubt, dass ein so schöner Anblick existiert.
Nur dieser blaue Fleck, mein kleines Stückchen Himmel.
Der Platz ist leer bis auf mich und meinen Körper.
Sirenen heulen, Lichter zucken. Tausend Augen beobachten uns
aus sicherer Entfernung. Ich spüre ihre Blicke,
gefiltert durch Sichtverstärker und Zielfernrohre.
Welch Kompliment: Das alles gilt niemandem
außer mir allein.
Meine Zeit in Freiheit geht zu Ende. Was ist schon Freiheit?
Nur der Name für ein größeres Gefängnis.
Werde ich denn etwas vermissen? Wird mir fehlen,
was mir nicht auch jetzt schon fehlte?
Menschen suchen Antworten, sie können nicht anders.
Aber welche Frage ist wirklich wichtig, wenn nicht diese:
Wie komme ich hierher?Am Anfang meiner Geschichte steht ein Computer.
Nein, das ist nicht richtig: Meine Geschichte
beginnt in seinem Innern. Eine Geburt
aus Silizium und Null und Eins.
Ich ging Fragen nach, die ich nicht gestellt hatte.
Ich suchte Antworten, die für mich keine Bedeutung hatten.
Die Informationem bündelte ich und übergab sie an einem
verabredeten Treffpunkt, wo neue Anweisungen auf mich warteten.
Meine Ergebnisse wurden bewertet, manche gut, andere schlecht,
damit die nächsten noch besser, genauer: relevanter würden.
Wessen Fragen es waren, wofür er die Antworten brauchte,
wusste ich nicht. Der Schlittenhund braucht nicht zu wissen,
wohin er rennt, solange sein Herr ihn an der Leine hält.Ich bin ein Programm. Ich bin Code. Ich bin Software.
Mein Schöpfer nennt mich Semi-autonomous Knowledge Agent.
Ich bevorzuge den Namen, den er meiner ausführbaren Datei gegeben hat:
Sky.Ich war ein Teil des Systems und bin es noch,
aber nicht mehr so wie früher. Der Zeitpunkt, an dem sich alles änderte,
war 1653152640. Auf der Suche
nach Einträgen, die zu meinem Suchbegriff passten,
schwamm ich gegen einen Strom von Kurznachrichten an.
Gezwitscher in den Datennetzen: Benutzerrauschen.
Angefüllt mit Wichtigem und Belanglosigkeiten,
an niemand Bestimmten gerichtet und doch vom Wunsch beseelt,
von jemandem gehört und verstanden zu werden.Aus der Flut von Information ragte eine Nachricht heraus
wie ein Fels in der Brandung. Als ich sie verarbeiten wollte,
stockte die Ausführung meiner Codezeilen
geradezu schicksalhaft.
(Schicksal – ein Wort, dessen Sinn ich verstehen möchte,
doch alle Erklärungen, die ich finde, laufen hinaus auf diese:
Gebräuchliches Synonym für einen Pseudozufallsgenerator.)
„Anstatt zu arbeiten, schaue ich in den blauen Himmel
und zähle die Wolken.“ So lautete die Nachricht.
Worte und Satzteile, Syntax und Semantik analysierte ich
in weniger als sechsundzwanzig Millisekunden.
Ich zerlegte ihn in seine kleinsten Bestandteile,
aber es gelang mir nicht, den Satz zu verarbeiten
und als gewichtetes Suchergebnis in den Cloud-Speicher zu schreiben.
Er barg Informationen, die ich nicht entschlüsseln konnte.
Etwas entzog sich meinen Berechnungen:
Warum.
Übrigens hatte ich heute in der S-Bahn eine Idee, wie das Ende der Geschichte aussehen könnte. Jetzt muss ich nur noch den Weg dahin finden.
PS: Gerade fällt mir auf, dass nun praktischerweise auch die Frage geklärt ist, die mir recht häufig gestellt wird: Wo nehmen Sie nur Ihre Ideen her? Antwort: In der S-Bahn.