Über das Selbstverständnis der deutschen Buchbranche

Mit der Buchbranche ist es ein bisschen wie mit Barack Obama: Eigentlich stehen sie beide für Dinge, die meinen eigenen Ansichten entsprechen, und in einer perfekten Welt wäre ich ihr glühender Verteidiger. In der Realität hingegen verfolgen beide, der Chef der USA und die Chefs des deutschen Buchmarktes, eine falsche Politik und verteigen sie darüber hinaus mit windigen Argumenten. Wenn ich Obama oder die Buchbranche doch einmal verteidige, dann nie mit Leidenschaft, sondern höchstens aus Pflichtgefühl.

Neulich lief auf Arte die Dokumentation Storyseller, die beleuchtete, „wie Amazon den Buchmarkt aufmischt“. Der Untertitel ist nicht übertrieben: Amazon kann 75 Prozent aller Buchverkäufe für sich verbuchen, ist mit dem Kindle Marktführer bei E-Books und bietet außerdem eine elektronische Publishing-Plattform an, auf der Autoren 70 Prozent pro verkauftem Buch verdienen anstatt der üblichen acht.

Wie Amazon tiefer und tiefer in den etablierten Buchmarkt vorstößt, ist hochinteressant. Noch bemerkenswerter allerdings fand ich, wie die bisherigen Platzhirsche – Verleger, Agenten, Buchhändler – mit der Konkurrenz durch Amazon umgehen. Im Folgenden präsentiere ich einige O-Töne aus dem Film und meine Gedanken dazu. Peter Fritz, Literaturagent:

Die deutsche Buchbranche ist eine sehr feingliedrige Sache. Und jetzt haben wir plötzlich einen riesigen Spieler, dessen Ideologie ist, nur auf den Konsumenten zu gucken, nicht auf die Branche. Etwas so Feingliedriges geht da nicht.

In diesem Zitat schimmert der Gedanke durch, dass die deutsche Buchbranche so wichtig und großartig sei, dass sie unter allen Umständen vor Veränderungen oder gar dem Umkrempeln bewahrt werden müsse. Ähnlich waren auch manche Argumente für die Einführung des Leistungsschutzrechts eingefärbt, nur auf die Zeitungs- statt auf die Buchbranche gemünzt. Tatsächlich lässt sich die Ausgangssituation hier wie dort mit den gleichen Worten beschreiben: Eine jahrzehntelang konkurrenzlose, saturierte Branche sieht sich nach einem technologischen Quantensprung neuem Wettbewerb gegenüber, doch anstatt sich der neuen Realität anzupassen, versucht sie, die neuen Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten zu manipulieren.

Daher beeindruckt es mich nicht besonders, wenn Fritz sagt, dass Amazon nicht auf die Buchbranche schaue. Die Branche ist kein Selbstzweck, sondern Vermittler zwischen Autoren und Lesern – den beiden Parteien, ohne die es überhaupt keine Bücher gäbe (und damit auch keinen Buchmarkt). Die Aufgabe der Verleger, Agenten und Buchhändler ist es, möglichst viele möglichst gute Geschichten von den Schreibern zu den Lesern zu bringen. Auf welche Weise sie das machen, ist zweitrangig, und das Beispiel Amazon zeigt, dass Feingliedrigkeit (spitze Zungen würden sagen: Verkrustung) dafür nicht zwingend notwendig ist. Jemand, der sich in den bestehenden Verhältnissen eingerichtet hat, mag das nicht gerne hören. Einen Schutzanspruch bekommen die Verhältnisse dadurch jedoch nicht.

[Amazons Datenbank mit 200 Mio. Kundendatensätzem] ist eben der nicht, fast nicht mehr einholbare Vorteil, den Amazon hat, und sie teilen natürlich diese Informationen mit niemandem. Das ist deren Kapital.

Fritz bezieht sich hier insbesondere auf Amazons Funktion „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…“. Wie gut die Vorschläge dieses Algorithmus sein können, weiß ich, seit er mich irgendwann um 2007 herum auf das Buch „A Game of Thrones“ des mir bis dato unbekannten Herrn R. R. Martin aufmerksam machte. Auf Joe Abercrombie bin ich dagegen durch die Empfehlung eines Freundes gestoßen, auf Patrick Rothfuss durch ein Geschenk. Und in einem Fantasyladen bei mir in der Nähe hat jeder Mitarbeiter eine Stelle im Regal, wo er oder sie persönliche Lieblings-Neuerscheinungen vorstellt. Am Ende ist Amazons Killer-App also doch nur das moderne Äquivalent zu einem Bekannten, der den eigenen Lesegeschmack teilt.

Natürlich kann man es doof finden, dass Amazon seine Kundendaten nicht an den deutschen Buchhandel weitergibt. Und wenn man schon dabei ist, kann man sich auch noch darüber aufregen, dass heutzutage kaum jemand sein Geld vom Dach wirft. Dabei kann man von Amazon auch siegen lernen. Niemand hindert den deutschen Onlinebuchhandel daran, eine solche Vorschlagsfunktion anzubieten und eigene Kundendaten zu sammeln. Vermutlich war das auch die erste Funktion, die für den Tolino programmiert wurde.

Alexander Skipis, Börsenverein des Deutschen Buchhandels:

Das Schwierige und das Bedeutende an der Sache ist, dass [mit dem Aussterben kleiner und mittlerer Buchhandlungen] ein Vertriebskanal verschwindet, der für die kleinen und mittleren Verlage sehr wichtig ist. Und wo es diese kleineren und mittleren Buchhandlungen nicht gibt, gibt es auch die kleinen und mittleren Verlage kaum. Und das ist ein Verlust an kultureller Vielfalt. Denn das sind Verlage, die oft das Ungewöhnliche, das Unerwartete bringen, und genau das bereichert im Grunde genommen auch die Kulturszene.

Da ist was dran. Weiter oben habe ich nicht zufällig geschrieben, dass die Buchbranche möglichst viele möglichst gute Geschichten zum Leser bringen soll, und Amazons Verlagsbestrebungen zielen ganz klar auf Quantität statt auf Qualität. Andererseits gab es auch vor Amazon schon Massenverlage und Genreliteratur. Warum auch nicht? Goethe ist toll, aber manchmal steht mir der Sinn nun mal nach einem DSA-Roman.

Abgesehen davon werden die Buchhandlungen nicht nur von Onlinehändlern wie Amazon unter Druck gesetzt. Die großen Ketten tun seit Jahren alles dafür, dem kleinen Buchladen um die Ecke das Wasser abzugraben, und mit dem Tolino haben Hugendubel, Thalia, Bertelsmann und Weltbild dem herkömmlichen Buchhandel noch einen weiteren Konkurrenten bekommen. Jetzt zu behaupten, eine drohende Verflachung der Literaturlandschaft sei allein Amazons Schuld, ist wohlfeil.

Sieht freundlich aus, der kleine Tolino… aber plant er insgeheim den Ruin des Buchhandels? (Quelle: Wikimedia Commons)

Antoine Gallimard, Verleger:

Man hält uns für Diebe. Weil Amazon beim Self-Publishing 70 Prozent bieten kann, sind wir plötzlich Diebe. Amazon ist sehr stark darin, zu sagen, was habt ihr von einem Verlag? Er tut nichts für euch! Aber das stimmt ja nicht. Wir haben eine eigene Herstellung, eine Werbeabteilung, Marketing, eine Lizenzabteilung. (…) Ich begleite meine Autoren jahrelang. Ich zahle ihnen Vorschüsse, bin ihr erster Leser. Während sie sagen, man kann doch alles mit Amazon und ohne Verlag machen.

So also klingt die beleidigte Wut eines Menschen, der am liebsten die Zeit zurückdrehen möchte, weil eine neue Technologie – hier: die Selbstveröffentlichung per Internet – sein Geschäftsmodell unter Druck setzt. Dabei hat Gallimard im Grunde völlig recht: Ein Verleger erbringt Leistungen, die der Autor beim Self-Publishing (wie der Name schon sagt) alleine erledigen muss. Niemand bestreitet, wie wichtig Lektorat und Satz, die Erstellung des Titelbilds, Druck, Vertrieb oder Marketing für die Entstehung eines Buches sind. Auch trägt der Verleger traditionell das finanzielle Risiko (und streicht vom eventuellen Gewinn den Löwenanteil ein).

Ich weiß all das zu schätzen. Mehr noch: Ich bin ein Anhänger des klassischen Modells, bei dem der Verleger Freund und Wegbegleiter des Schriftstellers ist. Trotzdem wüsste ich gerne, wie viele von Gallimards Autoren tatsächlich in den Genuss seines Rundum-Sorglos-Pakets mit persönlicher Bindung und Saint-Exupérys Uhr kommen. Für die meisten von uns Autoren sieht die Realität nämlich deutlich weniger glamourös aus. Gut, auch Gallimards Tag hat nur 24 Stunden, aber das ist gar nicht mein Problem mit seinem selbstgerechtem Rundumschlag. Was mich wirklich sauer macht: Dass er unterschlägt, wie dramatisch die Verlage fast all ihre Leistungen in den vergangenen Jahren eingedampft oder ausgelagert haben.

Antoine Gallimard, einer der Granden des europäischen Buchhandels (Quelle: Wikimedia Commons)
Antoine Gallimard, einer der Granden des europäischen Buchhandels (Quelle: Wikimedia Commons)

Bis vor Kurzem kannte man den Beruf des Setzers; heute gibt es dafür Software, deren Bedienung sich in Stunden erlernen lässt. Lektorat und Grafikerstellung wird aus Kostengründen oft an freie Mitarbeiter irgendwo auf der Welt ausgelagert. In Sachen Marketing wird weniger berühmten Autoren wie mir gerne gesagt, wie wichtig es sei, dass wir selbst uns eine Fanbasis aufbauen (eigene Webseite, Facebook, Kontakt zum Leser). Eine Aufgabe mehr, die der Verlag nicht mehr selbst erfüllen muss. Und es geht weiter: Bei E-Books fallen Druck, Lagerung und Transport komplett weg – es kostet so gut wie nichts, dem Käufer ein digitales Buch zu übermitteln. Auch eine Vorfinanzierung ist für elektronische Bücher nicht nötig, weil ja kein Exemplar vorab gedruckt werden muss. Und was den Rest des finanziellen Risikos angeht: Früher verkaufte ich meine Bücher als Idee und bekam einen Vorschuss, von dem ich dann das Manuskript schrieb. Heute werden von den etablierten Verlagen praktisch nur noch fertige Manuskripte eingekauft. Wovon ich lebe, während ich einen neuen Roman schreibe, ist heute mein Problem.

Nimmt man all das zusammen, ist es problemlos nachvollziehbar, warum immer mehr Autoren den herkömmlichen Verlagen den Rücken zukehren und ihr Glück mit Amazon Publishing versuchen. Schlechter als bislang kann man sie dort kaum behandeln.

Das soll nicht heißen, dass die Selbstveröffentlichung die Lösung aller Probleme ist. Man kann ihr aus guten Gründen skeptisch gegenüberstehen. Ich habe all meine bisherigen Romane bei herkömmlichen Verlagen veröffentlicht, und ich bin damit nicht schlecht gefahren. Es war schon okay, dass ich nur acht Prozent vom Nettoverkaufspreis bekam. Doch je weniger die klassischen Verlag mir bieten, umso schlechter geht die Rechnung auf. Bei Amazon muss ich auch alles selber machen, aber wenigstens behauptet niemand das Gegenteil. Und 70 Prozent gibt es auch noch.

Denn es geht gar nicht so sehr ums Geld. Es geht darum, nicht verarscht zu werden.

Als Autor will ich von meinen Büchern leben können; und, ich gebe es zu, ich will ein wenig gelobt werden, am liebsten von Leuten, die Bücher so lieben wie ich. Mit Amazons Self-Publishing-Plattform lässt sich vielleicht Geld verdienen; eine echte, persönliche Betreuung, wie ein Verlag sie (im Wunschfall) bietet, kann man dort hingegen lange suchen. Verleger wie Antoine Gallimard könnten dafür Sorge tragen, dass es für Autoren trotz der digitalen Konkurrenz lohnenswert ist, bei einem „richtigen“ Verlag zu publizieren. Das ist das Pfund, mit dem sie wuchern müssten, aber was tun sie stattdessen? Sie drücken überall die Kosten, bürden den Autoren jene Aufgaben auf, von denen sie an anderer Stelle behaupten, dass nur ein Verlag sie leisten könne und regen sich dann noch lautstark darüber auf, wenn jemand es wagt, diese Politik zu kritisieren. Danke, aber das brauche ich nun wirklich nicht.

Peter Fritz:

Ich habe heute in einem Gespräch Amazon mit Monsanto verglichen. Monsanto kauft sich in Brasilien oder Lateinamerika oder in anderen Ländern große Landflächen, pflanzen da fünf Jahre Tomaten an, bis die Erde nichts mehr hergibt, und dann ziehen sie weiter und lassen eine Wüste zurück.

Wow. Wer solche Vergleich zieht, versteht entweder von der Landwirtschaft oder vom Schreiben nichts. Oder von beiden.

Was soll in dieser, nun ja, Metapher überhaupt durch den Nährboden dargestellt werden? Wer oder was ist die Muttererde, über die Amazonsanto herfällt wie ein digitaler Heuschreckenschwarm, der von Land zu Land zieht, bis die weltweite (Kultur)Landschaft zur Wüste geworden ist? Sind es die Autoren? In dem Fall möchte ich anmerken, dass man sich auch in der Wüste Geschichten erzählt. Das Erzählen ist ein tief verwurzeltes menschliches Bedürfnis, das die Entstehung der Schrift und die Erfindung des Buchdrucks unbeschadet überstanden hat. Es wird auch Amazon aushalten.

Oder setzt Fritz den Nährboden mit der Buchbranche gleich? Dann wäre der Autor in seinen Augen wohl ein zarter Pflänzling, der ohne Hege und Pflege verdorren muss und allein durch die wohlmeinende Hege und Pflege seiner Agenten, Verleger und Buchhändler gedeihen kann. In Amazons Monokultur würde er dagegen zur unverdaulichen Nutzpflanze degenerieren. Doch der Autor kam vor dem Verleger, und auch nachdem Verlage sich durchgesetzt hatten, ist die Literaturgeschichte weiterhin voll von Menschen, die nicht wegen, sondern trotz der Buchbranche geschrieben und veröffentlicht haben. Beweisstück A: J. K. Rowling.

Hier ist meine Version von Fritzens Vergleich: Vor der Küste von Deutsch-Buchmarktien taucht plötzlich ein Archipel aus dem Meer auf – die Inseln des Self-Publishing. Amazon erkennt das Potenzial dieser Inseln, sät die Kindle-Buche aus und wirbt um Autoren. Diese haben ihre Bücher aus Mangel an Alternativen bislanf im Schatten der Gebundenen und der Taschenbuche geschrieben haben, doch nicht wenige probieren nun die Selbstveröffentlichung aus: sei es aus Neugier, sei es, weil sie mit den buchmarktischen Adelsdynastien unzufrieden sind oder von diesen gar nicht erst beachtet werden. Als die Adligen nach einigen Jahren bemerken, dass Amazon (nicht zuletzt dank ihrer eigenen Untätigkeit) zu einem ernsten Konkurrenten herangewachsen ist, schreien sie „Schiebung“ und „Monokultur“ und verbreiten schiefe Monsanto-Vergleiche.

Helge Malchow, Verlag Kiepenheuer und Witsch:

Es müsste einmal vonseiten der Bundesregierung klargemacht werden, klargestellt werden, dass elektronische Bücher auch Bücher sind und damit die Buchpreisbindung in Deutschland auch für elektronische Bücher gilt. (…) Wenn das nicht der Fall wäre (…) und dann dann zum Besipiel über Dumpingpreise von einem Monopolisten die Preise so schnell absinken würden, vielleicht sogar unter Einkaufspreis, dass für den Käufer ein physisches Buch zu kaufen fast ein widersinniger Akt wird, dann könnte man auch die Buchpreisbindung im klassischen, physischen Buch nicht mehr halten.

Faktisch gibt es die Buchpreisbindung für E-Books längst. Wer ein elektronisches Buch im Zahl-was-du-willst-Modell vertreiben will, dem flattert bald ein Anwaltsbrief ins Haus. Und eine kleine Recherche auf Hugendubel.de ergibt, dass das durchschnittliche Preisverhältnis zwischen E-Book und Papierbuch ziemlich konstant bei über 80 Prozent liegt. Hier die Zahlen der Top 5 aus den Spiegel-Bestsellerlisten Belletristik, Woche 19/2014:

  • Durchschnittspreis Hardcover: 15,59 Euro (E-Book) zu 18,99 Euro (Druckausgabe) = 82,1%
  • Durchschnittspreis Taschenbuch: 8,99 zu 9,99 = 90,0%
  • Durchschnittspreis Paperback: 12,49 zu 14,99 = 83,3%

Für die E-Book-Ausgabe eines Hardcovers zahlt ein Käufer im Schnitt also 82,1 Prozent des Papierpreises, für die Taschenbuchversion sogar 90 Prozent. Und bevor jetzt jemand einwendet, dass das digitale Taschenbuch damit doch wesentlich günstiger ist als das Hardcover, erkläre er oder sie bitte zunächst, was der Unterschied zwischen einem E-Book mit festem und einem E-Book mit Taschenbucheinband ist.

Gedruckte Bücher und E-Books sind zwei verschiedene Produkte. Sie sind miteinander verwandt, so wie Autos und Bahnfahrten miteinander verwandt sind oder Fernsehen und Netflix. Aber sie sind nicht identisch. Und das hat Konsequenzen. Manche Konsequenz ist willkürlich, zum Beispiel die, dass auf den Kauf eines E-Books nicht der Besitz folgt, sondern bloß die Bereitstellung des Inhalts. Andere beruhen auf dem inhärenten Unterschied zwischen stofflichen und nichtstofflichen Büchern – etwa die Tatsache, dass es keinen Sinn ergibt, beide auf dieselbe Art einzupreisen. Wer die Herstellungskosten von Druckwerken auf E-Books überträgt, hat diesen Unterschied nicht verstanden. Das ist Helge Malchows wahrer widersinniger Akt, und zwar ganz ohne Dumpingpreise.

Man könnte einwenden, dass ich als Autor von hohen E-Book-Preisen profitiere, weil dadurch meine Tantiemen höher ausfallen. Aber das ist ein Trugschluss. Wenn die Leute um E-Books einen großen Bogen machen, weil sie die Preispolitik für Abzocke halten, bringt mir eine höhere Marge auf weniger Verkäufe nichts. Davon abgesehen ist für den Verlag der Gewinn pro verkauftem E-Book höher als pro gedrucktem Buch, weil ja die Herstellungskosten wegfallen. Meine Tantiemen sind dagegen in beiden Fällen gleich. Ähnliche Preise für E-Books und Papierbücher mögen daher im Interesse der Verlage sein, aber garantiert nicht in dem der Autoren.

Grundsätzlich befürworte ich eine Preisbindung bei E-Books, so wie ich sie für gedruckte Bücher befürworte. Nicht sinnvoll erscheint mir, wenn die Verlage den elektronischen Preis nach Belieben festsetzen. Warum wird ein E-Book preislich nicht an die Papierausgabe gekoppelt, z.B. so, dass die digitale Version ein Drittel des Hardcovers kostet? Es ergibt einfach keinen Sinn, E-Book ähnlich teuer wie gedruckte Bücher zu machen.

Zum Schluss noch einmal Helge Malchow:

Das ist glaube ich die große Herausforderung für die nächsten Jahre: Wie gelingt es, ein Gleichgewicht zu erhalten zwischen denen, die für die Inhalte zuständig sind und denen, die für den Vertrieb zuständig sind?

Müsste der Satz nicht vielmehr lauten: Ein Gleichgewicht zwischen denen, die für die Inhalte zuständig sind und denen, für die die Inhalte bestimmt sind?? Bezeichnend, dass die Leser in Malchows Gleichung gar nicht erst auftauchen. Wer die Rolle des Boten für wichtiger hält als die des Adressaten, muss sich nicht wundern, wenn Schreiber und Leser irgendwann auf anderem Wege zueinander finden.

Noch einmal: Vertrieb ist ein Mittel zum Zweck. Es gibt mehr als eine Art und Weise, Bücher zu vertreiben. Die althergebrachte Methode über einen Druckverlag ist nicht die einzig denkbare, und die einzig wahre ist sie erst recht nicht. Sicherlich wäre ein Verlagssterben schade, aber das heißt nicht, dass es danach keine guten Bücher mehr geben würde.

Auch Pferdekutscher und Videothekare hielten sich einmal für unverzichtbar. Wenn die heutigen Platzhirsche der Buchbranche nicht ihr Schicksal teilen wollen, dann müssen sie sich schon dafür ein wenig anstrengen.

(Bildquelle: Screenshot aus „Storyseller“ / Arte)

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5 Gedanken zu „Über das Selbstverständnis der deutschen Buchbranche

    1. Danke für den Link, habe die Kostenaufteilung mit großem Interesse gelesen. Wobei die Zahlen mittlerweile zweieinhalb Jahre alt sind, was auf dem E-Book-Markt quasi eine halbe Ewigkeit ist. SInd die Verhältnisse heute immer noch genau so? Trotz Amazons Verlagsbestrebungen, trotz der zunehmenden Verbreitung von E-Book-Readern, trotz des Wettbewerbs durch neue Finanzierungsmodelle (zB Crowdfunding)?

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