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Warum ich „Amoralisch“ kostenlos hergebe

In letzter Zeit höre ich häufig zwei verschiedene Fragen. Nummer eins: Haben Sie einen Moment Zeit für einen guten Zweck? (Ich schwöre, die Leute mit den Klemmbrettern sehen von Weitem, dass ich leichte Beute bin.) Und Frage Nummer zwei: Warum verschenkst du eigentlich das E-Book zu deinem Roman Amoralisch?

Ich gebe zu, es klingt merkwürdig. Warum ich „Amoralisch“ kostenlos hergebe weiterlesen

Ich bin nicht voreingenommen

Wirklich nicht. Kein bisschen. Stereotpyen, Vorurteile? Habe ich nicht, denn ich gehe ja immer offen und neutral an Neues heran. Q.e.d.

Anderes Thema: Neulich las ich Das Syndrom von John Scalzi (Lock In im englischen Original), und dabei hatte ich ein merkwürdiges Erlebnis.

In dem Roman entwickeln Millionen von Menschen weltweit das Locked-In-Syndrom: Sie bekommen alles mit, was um sie herum geschieht, aber sie können ihren Körper nicht mehr bewegen. Locked-In gibt es tatsächlich, und ich stelle es mir ziemlich unangenehm vor. Zum Glück spielt Das Syndrom in der Zukunft, und in dieser wurden Hirnimplantate entwickelt, dank derer die Eingeschlossenen mit der Außenwelt kommunizieren können. Indem sie sich menschenähnlicher Roboter („Threeps“, benannt nach ihm hier) bedienen, können sie arbeiten, ausgehen und ein weitgehend normales Leben führen – wenn man davon absieht, dass ihre biologischen Körper tagein, tagaus im Bett liegen, reglos  und still und durch Schläuche mit Nährstoffen versorgt. Ich bin nicht voreingenommen weiterlesen

Amoralisch als E-Book ist da – zum kostenlosen Download (plus Verlosung!)

Was lange währt, wird endlich gut: Vor wenigen Augenblicken habe ich das E-Book von Amoralisch fertiggestellt. Der Download ist DRM-frei und kostenlos, so wie ich es schon während der Crowdfunding-Kampagne angekündigt hatte. Viel Spaß beim Lesen!

Zur Download-Seite

Übrigens: Anlässlich des E-Book-Starts verlose ich auf Facebook zwei Ausgaben der gebundenen Ausgabe. Bis Sonntag hast du Zeit, dich daran zu beteiligen. Ich drück dir jedenfalls die Daumen.

Amoralisch (Titelbild)

Die Mühen der Ebenen

Als ich wiederkehrte,
war mein Haar noch nicht grau.
Da war ich froh.

Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.

Bertolt Brecht richtete diese Worte ursprünglich an die Kriegsheimkehrer und -flüchtlinge. Ich hingegen muss an sie denken, wann immer ich dieser Tage eine beliebige Nachrichtenseite aufrufe und von den jüngsten Vorstößen lese, die hart erkämpften Rechte und Freiheiten unserer Gesellschaft auszuhöhlen.

Ob in Guantànamo an der Ächtung der Folter gerüttelt wird, in Davos an der Mitbestimmung des Volkes oder seitens von de Maizière und Co. am Recht auf vertrauliche und sichere Kommunikation, das Muster ist immer das Gleiche. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht ein Recht, das die Macht aus den Händen weniger in die Hände aller verlagerte. Dies mag das Recht auf politische Mitbestimmung sein, auf körperliche Unversehrtheit, Schutz der Privatsphäre, eine faire Gerichtsverhandlung oder auf etwas anderes, das uns heutzutage als selbstverständlich erscheint. Natürlich will niemand diese Rechte abschaffen, zumindest nicht offiziell. Stattdessen sollen sie lediglich beschnitten werden, Stück für Stück, zum Schutz vor Terrorismus oder Kinderpornographie oder Steuerflucht, und das solange, bis nichts mehr davon übrig ist. Die Salamitaktik der Unfreiheit.

Keines dieser Rechte war einfach da. Sie fielen nicht vom Himmel, sondern wurden gegen den Widerstand derer erkämpft, die vom Status Quo profitierten. In diesem Status Quo entschied nicht das Individuum über das eigene Schicksal, sondern eine kleine Elite: Zaren, Kaiser, Diktatoren; Sklavenhalter, Großindustrielle, TTIP-Anwälte; Geheimdienste, Boko Haram, der Vatikan

Menschenrechte zu erstreiten ist eine noble Sache. Nicht umsonst werden Menschen wie Gandhi, Nelson Mandela oder Martin Luther King verehrt und ihr Andenken bewahrt. Sie sind die Pioniere der Freiheit, die Bergsteiger einer friedlichen Moderne.

Leider liegt es in der Natur des Menschen, dass wir uns an alles gewöhnen, wie aufregend oder großartig es uns früher auch vorgekommen sein mag. Menschenrechte bilden keine Ausnahme. Dass man heute in den meisten Teilen der Welt keine Angst haben muss, von der Obrigkeit gefoltert oder misshandelt zu werden, ist an Bedeutung kaum zu überschätzen. Trotzdem ist es für viele von uns eine banale Gewissheit. Wer nie ohne diese Sicherheit gelebt hat, dem fällt es schwer, sie angemessen zu würdigen.

Schon immer war es spannender, etwas Neues zu erschaffen, als das Bestehende zu bewahren. Das ist nicht nur die Quintessenz von Interstellar, sondern auch der Grund für die Lethargie, mit der die Welt auf all die Ungeheuerlichkeiten reagiert, die vermeintlich rechtsbewusste Staaten neuerdings verüben: gezielte Tötungen, „erweiterte Verhörmethoden“,das  Aufweichen kryptographischer Standards, Zufallskontrollen, bei denen rein zufällig vor allem Schwarze oder Araber ausgewählt werden und dergleichen mehr. Dabei ist die Verteidigung eines Rechts nicht weniger wichtig als die Bestrebungen, es geltend zu machen. Egal, welche dieser Aufgaben nicht erfüllt wird, das Recht ist in beiden Fällen futsch.

Um ein neues Recht zu erstreiten, muss man die Mühen der Berge auf sich nehmen. Wer das Erstrittene bewahren will, auf den warten dagegen die Mühen der Ebenen: Alltagstrott, Klein-Klein, jeden Tag aufs Neue. Es ist das Gegenteil von Glamour.

Es war selten wichtiger als heute.

Glück und harte Arbeit

Als ich als Schriftsteller anfing, dachte ich, nach der ersten Romanveröffentlichung habe ich es geschafft. Das war 2007.

Gestern las ich den schmerzhaft ehrlichen Blogeintrag einer Science-Fiction-Autorin aus den USA. Kameron Hurley schreibt darüber, wie viel Glück eine etablierte Autorin wie sie, mit einer Handvoll Titeln in der Backlist, haben musste und wie viel gnadenlose Selbstvermarktung nötig war, damit sie ein paar hundert Exemplare mehr verkaufte und am Ende einen Buchvertrag bekam, der mehr als ein symbolisches Zubrot zu ihrem Einkommen darstellte.

Es ist traurig, aber irgendwie auch ein bisschen beruhigend, dass ich mich in ihrem Blogpost mehr als einmal wiederfand, ob sie über die Ausgezehrtheit durch die permanente PR schreibt oder das demoralisierende Gefühl, einfach nicht vom Fleck zu kommen. Mein Lichtstreif: Wenn selbst eine Autorin, die auf der Hugo-Shortlist stand, bis neulich noch herumkrebste, bin ich vielleicht doch nicht der schlechteste Schriftsteller der Welt.

Und dann lese ich einen Kommentar auf Hurleys Beitrag von Charles Stross:

(…) it’s much, much worse for anyone aspiring to write in the curious genre known as „literary mainstream fiction“. (…) At least we [Autoren der Genres Fantasy und Science Fiction] (ha)ve got the legacy of genre ghetto solidarity to fall back on; in the mainstream you’re on your own.

Auch ich kenne und schätze den Zusammenhalt der deutschen SF/F-Szene. Im Bereich Krimi kann ich mich dann wohl auf Einiges gefasst machen.

Immerhin, auch ich bin nicht völlig glücklos. Zum einen kommen täglich neue Rückmeldungen von Amoralisch-Lesern herein und erfreuen mein Herz. Und wie es aussieht, habe ich auch einen Verlag für die Taschenbuchausgabe gefunden. Es könnte schlimmer sein :-)

Inquisition, Kastration, Playstation

Im Winter 2009/2010 verbrachte ich viele, viele Stunden vor der Playstation und spielte Dragon Age: Origins. Gefesselt hat mich das Spiel nicht nur, weil die Spielwelt so lebendig und vielfältig ist, sondern vor allem wegen der Figuren, denen man im Spiel begegnet.

Meine Mitstreiter und Gegenspieler in DA:O sind vielschichtig und widersprüchlich, fehlerbehaftet und liebenswert und grausam und vieles andere mehr. Vor allem aber haben sie nachvollziehbare, glaubwürdige Motivationen, warum sie so handeln, wie sie handeln. Selbst wenn sie Taten verüben, die ich abscheulich finde, verstehe ich doch ihre Gründe dafür. Für Charaktere in einem Computerspiel kommen die aus Dragon Age realen Figuren sehr nahe.

Das Spiel erzählt eine gute Fantasygeschichte, bei der ich (bzw. meine Spielfigur) im Mittelpunkt stehe. Die Entscheidungen, die ich treffe, beeinflussen das Schicksal von Charakteren, die mir ans Herz wachsen und die ich doch das ein ums andere Mal enttäuschen muss, sei es, weil ich mich auf die Seite einer anderen Figur stelle oder weil ich ein Volk vor dem Untergang retten muss. Es gibt kaum einen besseren Weg, um jemanden in eine Geschichte hineinzuziehen, als ihn mit schwierigen Entscheidungen zu konfrontieren (vgl. This War of Mine).

Nach einem enttäuschenden zweiten Teil, den ich nach ein- oder zweimal Spielen nie wieder angefasst habe, ist nun Dragon Age: Inquisition erschienen. Ich habe es noch nicht gespielt, aber ich freue mich schon darauf wie ein Hobbit auf das zweite Frühstück. In der Zwischenzeit habe ich mit Genuss diesen Artikel in der taz gefunden, der die Geschichte von DA:I in Kontrast zu dem 1976 erschienenen Roman „Die Verwandlung“ setzt; Kingsley Amis beschreibt darin eine alternative Realität, in der es keine Kirchenspaltung gab und der Papst sich potenzieller Kandidaten durch Kastration erledigt. In beiden Geschichten geht es um die Macht der Kirche, um Auserwähltsein und die Aufgabe von Freiheit zugunsten der Sicherheit. Gerade das letzte Thema ist aktueller denn je, siehe Folterreport, Todeslisten und dergleichen mehr.

Besonders interessant ist für mich jedoch nicht der Artikel selbst, sondern die Tatsache, dass darin ein Computerspiel mit einem Roman auf Augenhöhe verhandelt wird, noch dazu mit einem „Klassiker der Science-Fiction“. Vor ein paar Jahren, zu Zeiten der Killerspiel-Debatten, wäre so etwas völlig undenkbar gewesen. Heute ist es ein weiterer Schritt auf dem Weg, an dessen Ende Computerspiele als vollwertiges kulturelles Medium gelten werden, so wie Bücher, Filme, Opern, Theaterstücke usw.

Und bis es so weit ist, rette ich einfach noch ein paarmal die Welt.