Archiv der Kategorie: Politisches

Eine Lanze für die Meinungsfreiheit

Rechte und Freiheiten sind eine feine Sache. Jeder mag sie, jeder findet sie gut. Das heißt, so wäre es, wenn es da nicht ein klitzekleines Problem gäbe: Wenn zwei Rechte im Widerspruch zueinander stehen, muss mindestens eines von ihnen eingeschränkt werden, um die Freiheiten miteinander zu versöhnen.

Wie schwer es ist, einen solchen Konflikt zwischen sich widersprechenden Rechten aufzulösen und wie krass man bei dem Versuch scheitern kann, lässt sich aktuell bei mehreren Schriftstellern des amerikanischen Autorenverbandes PEN beobachten. Seit Anfang der Woche ist in PEN ein heftiger Streit entbrannt. Anlass ist der Preis für Mut und Meinungsfreiheit, den der Verband auf einem bevorstehenden Galaabend nächste Woche vergeben wird. Dieses Jahr geht der Preis an die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo.

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Die Mühen der Ebenen

Als ich wiederkehrte,
war mein Haar noch nicht grau.
Da war ich froh.

Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.

Bertolt Brecht richtete diese Worte ursprünglich an die Kriegsheimkehrer und -flüchtlinge. Ich hingegen muss an sie denken, wann immer ich dieser Tage eine beliebige Nachrichtenseite aufrufe und von den jüngsten Vorstößen lese, die hart erkämpften Rechte und Freiheiten unserer Gesellschaft auszuhöhlen.

Ob in Guantànamo an der Ächtung der Folter gerüttelt wird, in Davos an der Mitbestimmung des Volkes oder seitens von de Maizière und Co. am Recht auf vertrauliche und sichere Kommunikation, das Muster ist immer das Gleiche. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht ein Recht, das die Macht aus den Händen weniger in die Hände aller verlagerte. Dies mag das Recht auf politische Mitbestimmung sein, auf körperliche Unversehrtheit, Schutz der Privatsphäre, eine faire Gerichtsverhandlung oder auf etwas anderes, das uns heutzutage als selbstverständlich erscheint. Natürlich will niemand diese Rechte abschaffen, zumindest nicht offiziell. Stattdessen sollen sie lediglich beschnitten werden, Stück für Stück, zum Schutz vor Terrorismus oder Kinderpornographie oder Steuerflucht, und das solange, bis nichts mehr davon übrig ist. Die Salamitaktik der Unfreiheit.

Keines dieser Rechte war einfach da. Sie fielen nicht vom Himmel, sondern wurden gegen den Widerstand derer erkämpft, die vom Status Quo profitierten. In diesem Status Quo entschied nicht das Individuum über das eigene Schicksal, sondern eine kleine Elite: Zaren, Kaiser, Diktatoren; Sklavenhalter, Großindustrielle, TTIP-Anwälte; Geheimdienste, Boko Haram, der Vatikan

Menschenrechte zu erstreiten ist eine noble Sache. Nicht umsonst werden Menschen wie Gandhi, Nelson Mandela oder Martin Luther King verehrt und ihr Andenken bewahrt. Sie sind die Pioniere der Freiheit, die Bergsteiger einer friedlichen Moderne.

Leider liegt es in der Natur des Menschen, dass wir uns an alles gewöhnen, wie aufregend oder großartig es uns früher auch vorgekommen sein mag. Menschenrechte bilden keine Ausnahme. Dass man heute in den meisten Teilen der Welt keine Angst haben muss, von der Obrigkeit gefoltert oder misshandelt zu werden, ist an Bedeutung kaum zu überschätzen. Trotzdem ist es für viele von uns eine banale Gewissheit. Wer nie ohne diese Sicherheit gelebt hat, dem fällt es schwer, sie angemessen zu würdigen.

Schon immer war es spannender, etwas Neues zu erschaffen, als das Bestehende zu bewahren. Das ist nicht nur die Quintessenz von Interstellar, sondern auch der Grund für die Lethargie, mit der die Welt auf all die Ungeheuerlichkeiten reagiert, die vermeintlich rechtsbewusste Staaten neuerdings verüben: gezielte Tötungen, „erweiterte Verhörmethoden“,das  Aufweichen kryptographischer Standards, Zufallskontrollen, bei denen rein zufällig vor allem Schwarze oder Araber ausgewählt werden und dergleichen mehr. Dabei ist die Verteidigung eines Rechts nicht weniger wichtig als die Bestrebungen, es geltend zu machen. Egal, welche dieser Aufgaben nicht erfüllt wird, das Recht ist in beiden Fällen futsch.

Um ein neues Recht zu erstreiten, muss man die Mühen der Berge auf sich nehmen. Wer das Erstrittene bewahren will, auf den warten dagegen die Mühen der Ebenen: Alltagstrott, Klein-Klein, jeden Tag aufs Neue. Es ist das Gegenteil von Glamour.

Es war selten wichtiger als heute.

Wer das liest, ist ein Extremist

Ich benutze das Anonymisierungs-Programm tor. Neulich habe ich die für Privatsphäre optimierte Linux-Distribution tails heruntergeladen. In den Augen der NSA bin ich deswegen ein Extremist.

Warnhinweis: Wer diesen Blogpost zur Gänze aufruft, z.B. durch Klicken auf „Weiterlesen“, läuft Gefahr, mit mir zusammen auf irgendwelchen Geheimdienstlisten zu landen. Wer das liest, ist ein Extremist weiterlesen

Korrelation, Kausation und die „Zeit“

Vor Jahren habe ich mein Abonnement der „Zeit“ gekündigt, anlässlich der Begeisterung, mit der sich di Lorenzo und Co. ihrem Liebling Guttenberg an den Hals warfen. Diese Woche habe ich gute Lust, die Zeitung erneut zu abonnieren, nur damit ich sie gleich wieder kündigen kann, um meinen Ärger über dieses bräsige Blatt Ausdruck zu verleihen zu können.

Ich kriege also die aktuelle Ausgabe in die Hand und lese einen der Leitartikel, Es geht uns gut. Peter Dausend schreibt über eine Studie über die Zufriedenheit der Deutschen, die unter anderem ergeben hat, dass Katholiken zufriedener seien als Protestanten und die wiederum zufriedener als Atheisten. Denn, so behauptet der Autor einen Satz später:

Nur an sich selbst zu glauben ist auf Dauer halt ein bisschen wenig.

Wirklich? Der Leitartikler einer deutschen „Qualitätszeitung“ kennt den Unterschied zwischen Korrelation und Kausation nicht? Oder wie soll ich mir diese falsche Aussage sonst erklären (von der Herablassung ganz zu schweigen)?

Also, Herr Dausend: Dass zwei statistische Merkmale miteinander zusammenhängen, heißt nicht, dass das eine Merkmal der Verursacher des anderen ist. Oder konkreter: Dass Katholiken im Bundesdurchschnitt die zufriedeneren Menschen sind, heißt nicht, dass sie zufriedener sind, weil sie katholisch sind (das wäre Kausation). Es heißt nur, dass Katholizismus und Zufriedenheit in irgendeinem Zusammenhang stehen (dass also eine Korrelation besteht). Über die Art dieses Zusammenhangs ist hingegen rein gar nichts gesagt.

(Hier meine persönliche Theorie: Deutsche Katholiken sind zufriedener, weil sie mehr Geld haben. Die meisten von ihnen leben nämlich in Bayern und Baden-Württemberg, wo das Durchschnittsvermögen höher ist als in Bremen oder Sachsen-Anhalt. Zu dieser Hypothese passt auch, dass Ostdeutschland nicht nur die meisten Atheisten der Republik hat, sondern auch den geringsten Wohlstand. Ich habe aber nicht nachgeprüft, ob das stimmt. Dafür haben wir ja Qualitätszeitungen…)

Dausend stellt einfach die Behauptung auf, dass Religion zufrieden mache. Noch dazu tut er das in geringschätzigen Worten, die das alberne Klischee von den langweiligen Gottlosen perpetuieren, die, haha, nicht begreifen, wie viel toller alles wäre, wenn sie an Ostern und Weihnachten auch in das große Haus mit dem Kreuz gehen würden. Dort würden sie dann neben Leuten wie Dausend sitzen und könnten sich von ihnen Gott und die Welt erklären lassen, und das Leistungsschutzrecht am besten noch dazu.

Ich lese ja mittlerweile lieber die taz.

Krieg, Geschichte, Kriegsgeschichten

Der Vietnamkrieg hat eine ganze Generation geprägt, und zwar die Generation meiner Eltern. Er war zu Ende, bevor ich geboren wurde. Eine Folge davon ist, dass mein Wissen darüber vor allem aus Hollywood-Filmen stammt: Apocalypse Now und Tropic Thunder, Rambo und Rambo 2, Full Metal Jacket und Missing in Action.

All diese Filme, die guten wie die schlechten, haben zwei Dinge gemeinsam: Sie zeigen den Krieg aus einer rein westlichen (sprich: amerikanischen) Sicht, Und sie kümmern sich allerhöchstens am Rande um Ursachen und Auslöser des Krieges.

Mashup der iPod-Werbung und der Bilder aus Abu Ghraib (Quelle: Politicalgraphics.org)

Je älter ich wurde, umso mehr begriff ich, wie wenig ich wirklich über den Vietnamkrieg wusste. Krieg, Geschichte, Kriegsgeschichten weiterlesen

Der Leviathan ist los (Update)

Update: Ich habe mich entschieden, in den USA keine selbstverschlüsselnde Festplatte zu kaufen, um nicht Gefahr zu laufen, dadurch ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten.

Update 2: Chelsea Mannings Namensänderung eingepflegt.

Ich habe Angst. Ich meine hier nicht die Angst vor dem Zahnarzt oder davor, dass einer Person, die ich liebe, etwas zustößt. Ich rede von meiner Angst vor staatlicher Repression. Ich habe sie noch nicht lange, aber ich fürchte, dass sie mich noch lange begleiten wird.

Ich sollte dazusagen, in welchem Land ich wohne: Nicht in Nordkorea, nicht in Ägypten und auch nicht in der DDR, Erich hab sie selig. Nein, zurzeit wohne ich in den Vereinigten Staaten von Amerika.

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